Dass die Kollegen von der dpa meist völlig ahnungslos von Entwicklungen im Zusammenhang mit digitalen Medien berichten, ist ärgerlich, aber leider bekannt. Noch ärgerlicher wird es, wenn so genannte „Qualitätsmedien“ wie die FAZ den Stuss, den die dpa liefert, einfach ebenso kenntnisfrei und ungeprüft veröffentlichen. Aber das soll kein Eintrag zur Debatte über Qualität im Journalismus werden, sondern zu E-Books.
Bei FAZ.net steht heute:
Die deutsche Buchbranche steigt auf ihrer Online-Plattform „libreka!“ in den E-Book-Verkauf ein. Der Startschuss fällt am 12.März auf der Leipziger Buchmesse. Dann können die knapp 100 000 Titel, die derzeit schon auf der Seite zu finden sind, gekauft werden: zu Preisen, die von den Verlagen bestimmt werden.
Sonntage sind ja immer gut geeignet, PR möglichst ungeprüft unterzubringen. Bleibt abzuwarten, ob das stimmt. So, wie die Entwicklung von Libreka bisher gelaufen ist, darf man ruhig bezweifeln, dass dort am 12. März 100.000 Bücher zum Kauf angeboten werden. S. dazu den amüsanten Beitrag von Mathias Schindler.
Aber der FAZ-Artikel (tja, liebe FAZ, wenn’s bei Euch veröffentlicht ist, ist es ein FAZ-Artikel. So sehen das die klugen Köpfe) geht ja noch weiter:
„Unser Ziel ist es, die Internetseite zur ersten Adresse für E-Books auszubauen“, sagte Schild. Die Literatur aus dem Online-Verkauf kann auf den Computer oder auf die gängigen E-Book-Lesegeräte wie „Kindle“ oder „Reader“ heruntergeladen werden.
Soso. Ob es nicht Hybris ist, im Angesicht von Google Books vollmundig auf die Marktführerscahft zu zielen, lassen wir mal dahin gestellt sein. Ist schließlich die Aufgabe von Ronald Schild, Geschäftsführer des Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels (MVB), für das eigene Produkt Werbung zu machen.
Nur: Seit wann sind denn die „E-Book-Lesegeräte wie „Kindle“ oder „Reader““ hierzulande „gängig“? (Was ist überhaupt der „Reader“? Ich nehme mal an, der Autor denkt an Sonys Reader Digital Book [was für ein furchtbarer Name! Sony hatte auch schon mal ein besseres Marketing…], der als „Sony Reader“ ab 11. März auch in Deutschland verkauft wird). Weder den Sony Reader noch Amazons Kindle gibt es derzeit in Deutschland zu kaufen. Wann der Kindle auf den Markt kommt, weiß derzeit niemand (außer bei Amazon, aber vielleicht nicht mal dort). Da von „gängig“ zu sprechen, geht eventuell etwas an der Realität vorbei.
Viel wichtiger aber ist (und da würde es mich schon interessieren, liebe FAZ/dpa, wer denn das gesagt hat) die Aussage, dass man die E-Books, die man bei Libreka kaufen kann, auch auf den Kindle laden kann. Nur von Amazon verkaufte Inhalte dürfen auf den Kindle – eine Tatsache, die nicht gerade wenig kontrovers diskutiert wird und daher auch dem Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels, der FAZ und der dpa bekannt sein könnte. S. z.B. Wired:
The issue isn’t about DRM protections on the books, but on Amazon’s decision to create — and now perpetuate — a non-portable format that a) denies readers the ability to read e-books they buy from the company on another device and b) books they might buy from an e-books competitor on the Kindle.
Kann natürlich sein, dass man auf Libreka ein Buch anschauen kann und anschließend zu Amazon verwiesen wird, um es dort zu kaufen und auf den Kindle zu laden (wie gesagt: wann das der Fall sein könnte, steht in den Sternen). Aber das gleichzusetzen mit „Libreka-Inhalte auf dem Kindle lesen“, ist dann doch entweder Dummheit oder Dreistigkeit. Denn Libreka soll ja gerade ein Angebot der deutschen Buchhändler sein, nicht die Umsätze und Gewinne Amazons erhöhen.
Also: hat’s Herr Schild gesagt oder der dpa-Kollege erfunden?
Bücherlei Notizen » Blog Archiv » Libreka // Mrz 3, 2009 at 12:07 am
[…] Die Plattform libreka, mit der der deutsche Buchhandel digitalisierte Bücher anbieten und vertreiben will, öffnet sich dem Verkauf von E-Books. Anfangen wird man mit 100.000 Titeln! Offizieller Start ist der 12. März auf der Leioziger Buchmesse. Der Preis der elektronischen Bücher soll etwas niedriger als der des gedruckten ausfallen. Allerdings müsse beachtet werden, daß E-Books einer 195igen Mehrwertsteuer unterliegen, gedruckte nur 7%. Jeder Verlage kann einzeln entscheiden, wie viele Seiten kostenlos am Bildschirm gelesen werden dürfen. Gerechnet werde mit einem Fünftel. Über den typischen E-Book-Nutzer wisse man noch relativ wenig. Der Börsenverein gehe davon aus, dass digitale Literatur sowohl von älteren Menschen mit Sehschwäche als auch von Studenten und mobilen Viellesern genutzt werde. Daß die auf Libreka angebotenen Books auf dem Kindle gelesen werden können, hält Matthias Spielkamp für einen kolportierten Irrtum. […]
links for 2009-03-08 « Nur mein Standpunkt // Mrz 8, 2009 at 1:02 pm
[…] Immateriblog.de – Matthias Spielkamp über Immaterialgüter in der digitalen Welt Dass die Kollegen von der dpa meist völlig ahnungslos von Entwicklungen im Zusammenhang mit digitalen Medien berichten, ist ärgerlich, aber leider bekannt. Noch ärgerlicher wird es, wenn so genannte “Qualitätsmedien” wie die FAZ den Stuss, den die dpa liefert, einfach ebenso kenntnisfrei und ungeprüft veröffentlichen. (tags: netbib) […]
„Nur von Amazon verkaufte Inhalte dürfen auf den Kindle.“ Das stimmt so nicht ganz. Ich habe den Kindle in den USA gekauft und kann nun über die Seiten manybooks.net und feedbooks.com Bücher, deren Copyright abgelaufen ist und die kostenlos zu haben sind, einspeisen. Es handelt sich in etwa um die Bücher, die auch bei gutenberg.de angeboten werden. Ich gebe zu, dass ich mit meinem Interesse für alte, meist englische Bücher nicht unbedingt die typische Zielgruppe darstelle. Für mich hat sich der Kindle-Kauf aber bereits gelohnt, wenn ich auch natürlich weiter hoffe, eines Tages alle gängigen Bücher downloaden zu können.
Wortfeld » Zum Beispiel | Fünf Linktipps zwischendurch. // Mrz 21, 2009 at 11:59 am
[…] Er schreibt auf Immateriblog.de viel über Urheberrecht und die Film-, Musik- und Verlagsbranche, zum Beispiel über die vollmundige Ankündigung des deutschen E-Book-Portals […]