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Freischreiber-Zukunftskongress: Spaß kann man nicht essen – Geld und Geschäftsmodelle

September 19th, 2010 · 5 Comments · Arbeit2.0, In eigener Sache, Journalismus

So der Titel der Diskussion beim Freischreiber-Zukunftskongress, an der ich gestern teilgenommen habe. Felix Schwenzel hat sie sehr gut zusammengefasst; vielen Dank dafür. Felix schreibt

was mir in den diskussionen ein bisschen fehlte war das ausloten der chancen. die feststellung und das gemeinsame begrübeln und beklagen einer krise, hat meiner meinung auf einem zukunftskongress nicht viel zu suchen. auch peter kabels begeisterung über algorithmische oder soziale aggregatoren oder flipboard, bzw. sein appell an die anwesenden nicht zu klagen, sondern etwas zu unternehmen, trat meiner meinung nach zu kurz.

Dem kann ich leider nur zustimmen. Ich habe die Diskussion auch als eher unbefriedigend empfunden – wie allerdings die meisten Diskussionen zu diesem Thema, denn es fehlt ja bekanntlich die große Lösung, und die kleinen Vorschläge, wie man Journalismus weiter betreiben kann, sind eben nicht glamurös.

Außerdem kommt man schnell von Hölzchen auf Stöckchen, wozu Peter Kabel sehr viel beigetragen hat. Dass er es in gewisser Weise unter seiner Würde findet, über Modelle zu diskutieren, bei denen es um 2.500 Euro Umsatz im Monat geht, kann ich einerseits verstehen, andererseits darf er nicht auf ein solches Podium kommen, wenn es ihn so schrecklich nervt, darüber zu reden. Und so Recht er mit dem meisten hatte, was er sagte, so fehlte ihm doch der Bezug zum Thema. Nur festzustellen, dass die Welt sich rasant ändert, ist etwas zu wenig; der Verweis darauf, dass sein 17jähriger Sohn keine Massenmedien mehr nutzt, aber sich über Facebook ausreichend informiert fühlt, ebenfalls.

Auch Felix’ Hinweis auf Modelle wie taz oder brand eins finde ich völlig richtig, aber es war bekanntlich ein Kongress für freie Journalisten – und dass die meisten davon sich normalerweise nicht mit Magazingründungen beschäftigen, liegt eben in der Natur der Sache. Klar kann man sagen: Das ist ja gerade das Problem, und in Wirklichkeit ist jeder Journalist heute ein Massenmedium (oder kann eins sein), aber das geht meiner Ansicht nach an der Realität vorbei. Trotzdem hätte ein erfolgreicher Selbstmacher wie Sascha Pallenberg dem Podium gut getan, aber der war in Kalifornien (und Gabriele Fischer hatte ebenfalls abgesagt).

Eine Beobachtung ist mir wichtig, die ich auch während der Diskussion geäußert habe: Freie Journalisten sollten sich schon immer als Unternehmer betrachtet haben. Ich hadere seit langem damit, dass zu wenige das auch tun (was übrigens auch die Preise verdirbt). Aber wenn man früher davon sprach, dass ein Journalist sich als Unternehmer verstehen sollte, dann hieß das, dass er das gegenüber seinen Abnehmern tat – und das waren Verlage bzw. Redaktionen. Also eine recht überschaubare Gruppe von Leuten, bei denen man dann auch irgendwann verstanden hatte, wie sie ticken (oder verstanden hatte, dass man es nie verstehen wird), und sich dann darauf einstellen konnte.

Heute jedoch bedeutet der (auch von mir) oft geforderte und viel gepriesene unternehmerische Journalismus, zuständig zu sein für die Idee (für ein Online-Magazin, einen Podcast, eine App etc. pp.), den Businessplan, die Produktentwicklung (für Online-Magazin, Podcast, App etc. pp.), den Betrieb (Search Engine Optimisation, Search Engine Marketing, Micro Payment etc.pp) die Geschäftsführung und die Inhalte – also einen Strauß von Aufgaben, für die aus gutem Grund „in den Medien“ eine Differenzierung der Zuständigkeiten stattgefunden hat, mit der entsprechenden Spezialisierung und Professionalisierung. Dass sich da viele freie Journalisten überfordert fühlen und denken, „ich will doch nur schreiben“, entspricht zwar nicht meiner eigene Haltung, ist aber doch alles andere als einfach nur lächerlich, dumm und/oder bemitleidenswert, wie es oft genug dargestellt wird.

Hier noch meine Präsentation (auch als PDF zum Download, 372 kb); vielleicht kann ich ja wirklich in zwei Jahren von einem Erfolgsmodell berichten. Wäre natürlich überzeugender, als einfach nur Ideen vorzustellen.

Felix kritisierte auch die Länge der Workshops; auch da hat er in gewisser Weise Recht, denn die Veranstaltungen waren ja eben als Workshops angekündigt worden, waren dann aber eben meist sehr lange Podiusmdiskussionen. Man hätte sich mehr Gedanken machen müssen darüber, wie man daraus wirklich einen Workshop macht. Ich fühle mich durchaus selber angesprochen, denn beim Brainstorming zu Themen und Formaten war ich beteiligt. Bei zukünfitgen Zukunftskongressen wird alles besser!

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5 Comments so far ↓

  • Joachim Schirrmacher

    Stimmt, dieser Workshop war leider nichts, „Versuch und Irrtum“ heißt ja klugerweise eine Rubrik bei Brandeins. Tim Schimmeck sprach zu Recht vom „Schreckgespenst“ Peter Kabel, der alle guten Diskussionsansätze im 15-Minuten Takt zerstörte. Schade, denn sowohl Jens Weinreich als auch Sie (in Ihrer Präsentation) haben sehr offen zahlreiche Möglichkeiten angeboten. Insgesamt empfand ich den Kongress jedoch sehr motivierend: Es sind viele kleine Ideen entstanden (z.B. gemeinsam externe Dienstleister nutzen, in Regionalgruppen gegenseitig die Texte kritisieren, das eigene Können prägnanter darstellen) und es wurde sehr deutlich: wir sind viele und wir sind gut!

  • Sabine Arnolds

    Herzlichen Dank, Herr Spielkamp, für Ihren Vortrag und das Sie ihn online gestellt haben. Sie haben Zahlen, Daten, Fakten geliefert und damit ein praktisches Beispiel. Daraus habe ich für mich mehr mitgenommen als die aus weiten Strecken der Diskussion. Denn leider begnügte sie sich zu oft mit dem Beschreiben des Status Quo oder einer düsteren Zukunft der Medienwelt. Das aber bringt uns höchstens in die Depression. Erforderlich wäre aber, aggressiv und zukunftsgerichtet Wege auszuloten. Sie, Jens Weinreich, aber auch Philipp Banse zeigen praktisch, wohin das gehen kann.
    Die apokalyptische Sichtweise von Herrn Schirrmacher in Bezug auf Peter Kabel teile ich hingegen nicht. Denn diese schreibt dem Provokateur mehr Macht zu, als ihm gebührt. Kabels Ansätze schienen mir so verkehrt nicht, sie waren nur ebenfalls zu apokalyptisch und depressiv. Das Publikum reagierte darauf teils wie eine beleidigte Diva. Sie, Herr Spielkamp, haben trotzdem sehr sachlich und fundiert dagegen argumentiert. Für ihre spannenden Einblicke bedanke ich mich.

  • Matthias Spielkamp

    @Sabine Arnolds: Haben Sie vielen Dank für Ihre Sicht der Dinge, die ich teile – auch, was Peter Kabel angeht. Sein Stil war allerdings alles andere als produktiv.

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