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Matthias Spielkamp über Immaterialgüter in der digitalen Welt

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Mal was anderes: Jemand versucht, mich zu kaufen

Dezember 7th, 2008 · 6 Comments · In eigener Sache

Eigentlich hatte ich mich entschlossen, nicht darüber zu bloggen, weil es zu absurd ist und auch mit dem Thema dieses Blogs nichts zu tun hat. Aber nun muss ich doch.

Am 3. November bekam ich über ein Social Network, bei dem ich Mitglied bin, folgende Anfrage:

Hallo Herr Spielkamp,

ich bin neben meinem Beruf der gelöscht in der Freizeit als Songwriter / Produzent aktiv. Demnächst sollen meine Song im Internet auch käuflich zu erwerben sein.

Meine Frage an Sie als Journalisten ist folgende: „Könnten Sie einen Artikel über mich schreiben, in welchem ein Verweis/Link zu meinem Profil ( http://www.myspace.com/gelöscht ) enthalten ist UND diesen Artikel bei SPIEGEL ONLINE platzieren?

Was kostet der Artikel – und welche Kosten entstehen für die Platzierung?

Wenn ja, würde mich interessieren, mit welchen Kosten ich als Auftraggeber zu rechnen hätte.

Recht herzlichen Dank im Voraus für Ihre Rückmeldung.

Mit freundlichen Grüssen,
gelöscht

Aha. Drei interessante Erkenntnisse.

  • Zum einen: Jemand hält mich für den richtigen Ansprechpartner für ein solches Angebot. Ich habe drei oder vier Artikel bei Spiegel Online veröffentlicht und schreibe eher selten über Musik. Eine Musik- oder Bandkritik habe ich in meinem Leben noch nicht geschrieben.
  • Zum zweiten: Es herrscht bei einigen Menschen ein sehr interessantes Verständnis von Journalismus vor. Leider nicht ungerechtfertigt, wenn man sich anschaut, wie stark und hemmungslos die Verquickungen von Journalismus und PR mitunter sind.
  • Zum dritten: Ein noch unbekannter Musiker denkt, dass eine Erwähnung in Spiegel Online so viel Geld wert ist.

Wie viel? Ach so, das kommt ja erst jetzt (Trommelwirbel):

Ich habe noch am selben Tag geantwortet:

Hallo, Herr gelöscht,

vielen Dank für die Anfrage. Ich will nicht unhöflich wirken, aber Ihre Anfrage offenbart ein seltsames Verständnis von Journalismus. Als Journalist (ich bin kein Pressereferent) „platziere“ ich nicht gegen Gebühr Artikel bei Medien, sondern suche mir Themen danach aus, ob ihre Relevanz es rechtfertigt, die Öffentlichkeit über sie zu informieren. Insofern kann ich Ihnen nicht helfen.

Mit freundlichem Gruß,

Matthias Spielkamp

Meine Freundin fand das (für mich überraschend) überheblich, ich fand die Antwort eher zurückhaltend und höflich und stehe dazu. Wer eine solche Anfrage schickt, bekommt eine solche Antwort.

Das Erstaunliche ist, dass die Sache damit nicht zu Ende war. Ebenfalls noch am 3. November bekam ich folgende Antwort:

Hallo Herr Spielkamp,

können Sie für 5000 Euro netto den Auftrag umsetzen? Bitte keine Belehrungen. Wenn Sie den Auftrag annehmen, benötige ich Ihre Fax-Nummer zur Zusendung des Auftrages, denn Sie dann bitte unterschreiben.

Gruss,

gelöscht

Mh. Da ist ja jemand hartnäckig. Und dann auch noch 5.000 Euro! (Was „zum dritten“ beantwortet – so viel also ist eine „Platzierung“ bei SpOn wert, zumindest Herrn gelöscht.)

Das hat mich natürlich zum Nachdenken gebracht. Nicht, weil ich überlegt habe, auf das Angebot einzugehen. Sondern weil ich überlegt habe, warum ich angesprochen wurde.

Das Myspace-Profil gibt es natürlich, mit echter Musik (naja) drauf, insofern ist es unwahrscheinlich, dass sich da jemand einen Scherz erlaubt. Aber wegen der oben genannten Gründe (ich bin einfach nicht der richtige für eine solche Anfrage), habe ich doch überlegt, ob mir jemand eine Falle stellen will. Gehe ich auf das Angebot ein, wird es veröffentlicht – und mein Schaden wäre sehr viel größer als seiner (wenn die ID / das Profil doch ein Fake ist). Aber: so wichtig bin ich nicht. Wer sollte mich bloßstellen wollen? Wenn jemand das mit Klaus Kleber oder Heribert Prantl versucht – ok. Aber Matthias Spielkamp? So viel Hybris könnte ich nicht mal entwickeln, wenn ich mir Mühe gäbe.

Da Herr gelöscht aber keine Belehrungen wünscht, habe ich nicht geantwortet. Und dachte, damit ist die Sache endgültig erledigt.

Gestern schaue ich auf mein Bankkonto und stelle fest: da sind 800 Euro angekommen von einem Absender, der nur aus einem Buchstabengemisch besteht. Verwendungszweck: „Vorschuss, Interview, Bericht u“ (Rest wurde leider nicht übermittelt). Ich erwarte keine Vorschüsse für einen Beitrag, und ich habe keine Auftraggeber, die sich in ihren Überweisungen nicht identifizieren. (Aber ich sehe natürlich, warum sowas für Journalisten attraktiv sein kann – ich habe im Leben noch keinen Vorschuss bekommen! 😉 ) Sollte das Geld also von Herrn gelöscht stammen? Ich kann es natürlich nur vermuten, aber ich werde es zurücküberweisen. Und hoffen, dass das damit ein Ende hat. Und wenn es nur aus dem Grund wäre, dass die Wahrscheinlichkeit, jetzt noch einen Beitrag über seine Sangeskünste zu veröffentlichen, stark gesunken sind.

Und da sage noch einer, über Social Networks komme nix zustande… (hier ein Kopfschüttel-Emoticon vorstellen)

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