Zum öffentlichen Expertengespräch „Qualitätsprobleme im Journalismus und ihre Ursachen“ des Bundestags-Ausschusses für Kultur und Medien, an dem ich am 23. Februar 2011 teilgenommen habe, steht seit einiger Zeit bereits das Video zur Verfügung, nun auch das Wortprotokoll (PDF,193 kb).
Ich veröffentliche hier nicht mein Eingangsstatement, sondern meine Antwort zur Frage nach dem Leistungsschutzrecht, weil das der konkretere und wahrscheinlich für viele Leser interessantere Teil ist:
Abg. Herbert Behrens (DIE LINKE.): Meine Frage geht an Herrn Spielkamp. Es geht auch noch einmal um die Frage der wirtschaftlichen Situation der handelnden Akteure. Ich würde ganz gerne einmal die Seite wechseln und die Verlegerseite von Ihnen beleuchtet sehen angesichts der Tatsache, dass in den vergangenen Jahren von dieser Seite immer wieder Entscheidungen getroffen worden sind, die sehr zu Lasten des Journalismus und der Qualität gegangen sind. Ob es nun um den Tagesspiegel ging oder um Outsourcing in Redaktionen oder ob wir uns vor Augen führen, dass aktuell Redakteure und Journalisten bei den Tageszeitungen um ihre Tarife kämpfen und die Verleger sagen: „Es darf aber nur ein bisschen weniger sein.“ Über Zuwächse wird gar nicht mehr diskutiert. Das deutet darauf hin, dass die Verleger gegenüber den Akteuren eine ungemeine Macht zu haben scheinen. Nun gehören Sie zu den herausragenden Kritikern des Leistungsschutzrechtes, was ja quasi noch ein neuer Punkt ist, um den Verlegern weitere Einnahmemöglichkeiten zu schaffen.Was sind eigentlich die zentralen Kritikpunkte, die zu beachten sind? Wie Sie wissen, befinden wir uns ja gerade in einer Diskussion, in der es unter anderem um Leistungsschutzrechte der Zeitungsverlage geht.
Matthias Spielkamp (Projektleiter iRights.info): Ich danke Herrn Abg. Behrens für seine Frage zum Leistungsschutzrecht, denn diese Frage gibt mir die Möglichkeit, noch einmal auf einen wichtigen Konflikt hinzuweisen. Ebenfalls möchte ich in meine Antwort den Beitrag von Herrn Dr. Wolfgang Storz und die Frage von Frau Abg. Dr. Lukrezia Jochimsen mit einbeziehen.
Es ist tatsächlich der Fall, dass sich die wirtschaftliche Lage der freiberuflichen Journalisten zunehmend verschlechtert. Die wirtschaftliche Lage der festangestellten Journalisten ist noch nicht abzusehen, da gerade die Tarifverhandlungen laufen. Die zuständigen Verbände haben errechnet, dass danach ein Journalist, der heute einen Vertrag unterschreibt, im Alter von 40 Jahren mit entsprechender Berufserfahrung, ungefähr 30 bis 35 Prozent weniger verdienen wird als ein Journalist, der heute in der gleichen Situation ist.Wenn dies in anderen Branchen geschehen würde, wäre mit Protesten zu rechnen.
Auch möchte ich darauf hinweisen, dass es für freiberufliche Journalisten gemeinsame Vergütungsregeln gibt. Ich selbst bin seit 15 Jahren Mitglied bei der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), Fachgruppe dju. Meiner Meinung nach ist es eine Katastrophe, was die dju gemeinsam mit dem DJV ausgehandelt hat. Die sogenannte angemessene Vergütung, die sichergestellt werden soll, beginnt bei 47 Cent pro Zeile. Wenn man ausrechnet, was Journalisten für eine saubere Recherche an Zeit benötigen und diese dann auch noch zu Papier gebracht werden muss, sind das Arbeitsbedingungen, die schwer vorstellbar sind. Es ist meiner Meinung nach offensichtlich, dass unter diesen Bedingungen keine Qualität entstehen kann.
Explizit möchte ich nochmals anführen, da dies in engem Zusammenhang mit dem Leistungsschutzrecht steht, dass auf der anderen Seite die Presseverleger stehen, die für sich ein zusätzliches Recht beanspruchen wollen. Im Koalitionsvertrag ist dies bereits festgehalten, dass dieses Leistungsschutzrecht geschaffen werden soll. Das Gesetz bringt meiner Meinung nach verschiedene Gefahren mit sich, aber keine Verbesserungen. Selbst Christoph Keese, der sozusagen der Botschafter in Politik und Öffentlichkeit war, sagt, dass, wenn das Leistungsschutzrecht käme, dies die Verlage nicht retten werde. Ich frage mich aber, warum dafür so hart gekämpft wird. Denn es ist ja so, wenn ein Leistungsschutzrecht eingeführt werden würde, müsste für das gewerbliche Lesen von Informationen, die von den Verlagen kostenfrei zur Verfügung gestellt werden, eine Abgabe gezahlt werden. Zum Beispiel ist Welt Online ein Angebot, das der Axel Springer Verlag kostenlos zur Verfügung stellt. Das müsste der Verlag nicht tun, er könnte dieses Angebot auch einfach hinter eine Paywall stellen. Doch obwohl er das nicht tut, müssten für das Lesen der kostenlos angebotenen Artikel dann, auch vom Deutschen Bundestag, Gebühren gezahlt werden. Diese Gebühren würden über Verwertungsgesellschaften an die Verlage und nicht an die Journalisten ausgeschüttet. Die Journalisten hätten, solange sie Freiberufler sind, ein doppeltes Problem, denn sie wären nicht mehr in der Lage, weiterhin über ihre eigenen Werke zu verfügen. Das Leistungsschutzrecht ginge über das hinaus, was das Urheberrecht vorsieht, nämlich, dass man seine eigenen Werke lizenzieren kann. Als Journalist habe ich das Recht, einem Verlag aufzuerlegen, meinen Artikel nach meinen Vorstellungen zu nutzen. Gäbe es das Leistungsschutzrecht, würde der Verlag ein eigenes Recht an diesem Artikel bekommen. Mir als Journalist würde untersagt, diesen Artikel weiter zu lizenzieren, also an weitere Anbieter weiter zu verkaufen und ein Honorar dafür zu erhalten, während den Verlagen dieses Recht eingeräumt würde. Ich bin der Meinung, dass dies unter Berücksichtigung der aktuellen Verhandlungsposition, in der sich die Journalisten befinden, nicht möglich sein kann.
Ich möchte noch darauf hinweisen, dass keine Untersuchung vorliegt, welches Problem mit dem Leistungsschutzrecht gelöst werden sollte oder gelöst werden könnte, wenn es denn eingeführt werden sollte.
Ein weitaus dringenderes Problem, was noch auf die Gesellschaft zukommen könnte, ist, dass sogenannte Snippets unter ein Schutzrecht gestellt werden würden. Snippets sind kurze Ausschnitte, die bisher nicht urheberrechtlich geschützt werden, weil sie keine sogenannte Schöpfungshöhe haben. Durch das Leistungsschutzrecht würden sie allerdings geschützt. Damit bestünde die Gefahr zumindest einer Teilmonopolisierung der Sprache. Davor kann nicht genug gewarnt werden.
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