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Über Brain Drain in Verlagen: „Journalisten nicht wie Bittsteller behandeln“

Juni 5th, 2010 · 14 Comments · AGB, angemessene Vergütung, Bürgerjournalismus, Citizen Journalism, In eigener Sache, Internet Governance, Internet-Regulierung, Journalismus, Leistungsschutzrecht, Lobbyismus, Publizieren, Urheberrecht, User Generated Content, Veranstaltungen, Verlage

Mein Vortrag vom Publishers Forum am 26. April in Berlin ist jetzt bei Kress hinter einer Bezahlschranke verschwunden. Es ist das gute Recht der Betreiber, damit so umzugehen, aber wie so oft zeigt sich, dass Autoren und Verlage nicht zwangsläufig die gleichen Interessen haben. Ich will ja, dass er gelesen werden kann (und ärgere mich darüber, dass alle Links jetzt zu Kress führen und man dort den Eindruck bekommt, der Vortrag steht nicht mehr zur Verfügung). Daher hier noch einmal der volle Text.

Newspaper man

Newspaper man at Germantown Ave and Creshiam Valley Drive. Early 90's. Scanned. (c) Ed Stevenson (http://www.flickr.com/people/estevenson/), CC by-nc 2.0

02.05.2010

Eine Hand voller Content

Seit etwas mehr als zehn Jahren unterrichte ich an Journalistenschulen, in Volontärskursen und an Universitäten Journalismus. Und obwohl es dabei in den allermeisten Fällen nicht um Ethik des Journalismus oder vergleichbar Grundsätzliches geht, sondern um so profane, praxisrelevante Themen wie Recherche oder Online-Journalismus, kommt doch immer wieder die Frage auf, welche Aufgabe der Journalismus hat oder haben sollte, welche Motivation Journalisten antreibt, ihren Job zu machen.

Darauf gibt es viele schlaue Antworten: Man kann vom Journalismus als der vierten Gewalt im Staat sprechen, die die anderen drei kontrollieren soll, von der Wächterfunktion, die er übernimmt, um in einem System der Checks and Balances dafür zu sorgen, dass die Gewaltenteilung funktioniert.

Man kann aber auch sagen, und manchmal tue ich das: Lesen Sie Rafik Schamis Buch „Eine Hand voller Sterne„, dann wissen Sie es.

Das Buch handelt vom Leben eines 14jährigen Bäckersjungen im Damaskus der – wahrscheinlich – 70er Jahre. Seinen Namen kennen wir nicht, denn er ist der Ich-Erzähler des Buches, es sind seine Tagebucheinträge, die wir lesen. Der Junge muss in der Bäckerei seines Vaters arbeiten, aber er schreibt lieber Gedichte und lernt im täglichen Leben sehr genau die kleinen und großen Ungerechtigkeiten kennen, die ihn umgeben. Irgendwann trifft er beim Brotaustragen auf Habib.

Habib ist der typische Journalist, wie wir ihn aus Büchern und Filmen kennen: er raucht zu viel, trinkt zu viel und pflegt ein eher distanziertes Verhältnis zur Körperhygiene. Aber im Gegensatz zu vielen Darstellungen in westlichen Büchern, liegt der Grund nicht darin, dass seine Frau ihn verlassen hat oder er ein einsamer Wolf ist, der in seiner Jugend „All the Presidents Men“ gelesen hat.

Sondern darin, dass er für eine Regierungszeitung arbeitet, um sich über Wasser zu halten – sich dafür aber verachtet, weil er sich irgendwann, gemeinsam mit einem Kollegen, geschworen hatte, nur die Wahrheit zu berichten. Dieser Kollege ist jetzt sein Chefredakteur und weigert sich, regierungskritische Texte abzudrucken.

Über eine ihrer ersten Begegnungen heißt es im Tagebuch des Jungen:

„Ich erzählte ihm, dass ich Journalist werden will, und bat ihn, mir etwas von diesem Beruf beizubringen. ‚Vergiß es, mein Junge! Lieber wäre ich Bäcker; der weiß zumindest, daß er etwas Nützliches tut.'“

Das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.

Natürlich vergisst es der Junge nicht, sondern gründet mit Habib eine anonyme Zeitung, in der sie über die Ungerechtigkeit im Land berichten und die Regierung kritisieren. Das besondere an der Zeitung ist nicht nur der Inhalt, sondern auch der Vertrieb: sie vervielfältigen die Artikel mit einer Matrize und stecken sie in Socken, die sie für einen Schleuderpreis auf dem Basar verkaufen.

Sie kämpfen für die Wahrheit

Für eine Weile läuft die Zeitung gut. Doch dann wird Habib festgenommen, weil ihm die Regierung auf die Schliche gekommen ist. Es wird angedeutet, dass er nicht mit dem Leben davon kommen wird. Aber, so fasst ein Wikipedia-Autor den Schluss zusammen, „der inzwischen Siebzehnjährige gibt nicht auf und führt mit seinen Freunden Mahmud und Nadia die Sockenzeitung weiter, um der Regierung zu demonstrieren, dass sie immer für die Wahrheit kämpfen werden und diese nie aufgeben.“

Sie kämpfen für die Wahrheit und geben diese nie auf. Sie sind Journalisten geworden. Dazu später mehr.

Wir leben in Deutschland, nicht in Syrien. Das bedauere ich bisweilen, wenn ich aufs Wetter schaue, aber ich hatte schon das Vergnügen, in Damaskus mit Journalisten zu arbeiten und kann sagen: Deutschland ist ein Paradies im Vergleich zu Syrien, wenn es um die negative Pressefreiheit geht.

Negative Pressefreiheit – was soll das sein?

Der Philosoph Isaiah Berlin unterscheidet zwischen negativer und positiver Freiheit. Das Konzept ist umstritten, aber gut geeignet deutlich zu machen, worum es hier geht. Negative Freiheit bedeutet Berlin zufolge „Freiheit von etwas“ – also Freiheit von Zwang, Unterdrückung, Zensur, Gewalt. Ihr zur Seite steht die positive Freiheit, die „Freiheit zu etwas“ – also einem selbst bestimmten Leben, Autonomie und ähnlichem.

Die negative Freiheit des Journalismus ist in Deutschland garantiert durch den Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes und wurde gegen zahlreiche Angriffe, die auch in diesem Land immer wieder stattfinden, geschützt durch die Urteile des Bundesverfassungsgerichts, zuletzt das von vielen hoch gelobte Urteil im Fall „Cicero“.

Positive Pressefreiheit

Darauf darf man sich nicht ausruhen, denn die Angriffe auf diese negative Pressefreiheit durch Vorhaben wie die Vorratsdatenspeicherung hören ja nicht auf. Aber mir soll es um die positive Pressefreiheit gehen – um die Freiheit zum Journalismus.

Womit wir beim Verhältnis zwischen Verlagen und Journalisten sind.

Vor einigen Wochen hat Stefan Ruß-Mohl, Professor für Journalistik und Medienmanagement an der Universität Lugano, in der „Süddeutschen Zeitung“ einen Beitrag in der Reihe mit dem paradigmatischen Titel „Wozu noch Journalismus?“ veröffentlicht. Er war der erste und bisher einzige, der ein Thema ansprach, vor dem sich Verlage drücken wie ein Schulbub vor den Hausaufgaben: Die Bezahlung ihrer Mitarbeiter, und zwar nicht in erster Linie der Angestellten, sondern der freien Mitarbeiter.

„Zur Professionalität“, so Ruß-Mohl, „zum Beruf des Journalisten gehört Unabhängigkeit und – ja, auch: ein bisschen Stolz. Nicht zu verwechseln mit Arroganz und Dünkel, die leider in der Zunft ebenfalls sehr verbreitet sind. Unabhängigkeit und Stolz sind mit dem nicht vereinbar, was die Branche derzeit ihren fest angestellten Mitarbeitern zumutet und wie kümmerlich sie freie Journalisten honoriert. Wenn wir professionellen Journalismus erhalten wollen, gilt es deshalb, der Gratis-Kultur eine Kultur der Fairness entgegensetzen. Das ist kein leichtes, aber ein lohnendes Unterfangen.“

Wenn Ruß-Mohl hier von Gratiskultur spricht, dann meint er zum einen das, was in Verlagen darunter verstanden wird; wenn Verleger von ihren Lesern im Internet als von durch eine „Geiz-ist-geil“-Mentalität versauten Parasiten sprechen, die teuer produzierten so genannten „Qualitätsjournalismus“ nur kostenlos haben wollen. Zugleich setzen sie ihnen von Rechtschreibfehlern über lausige Recherche bis Kampagnenjournalismus alles vor, was sie im Ärmel haben, um ihre eigenen Sonntagsreden Lügen zu strafen. Und dann kommen auch noch böse Blogger und weisen darauf hin.

Diese Gratiskultur also soll ein Ende haben, und auch Ruß-Mohl singt das hohe Lied der Bezahlinhalte. Was davon zu halten ist, können Sie im ausgezeichneten Vortrag von Ulrike Langer nachlesen, den sie vergangene Woche beim „Cologne web content forum“ gehalten hat, und der mit zahlreichen weiter führenden Links versehen ist. In ihrem Weblog natürlich.

Kümmerliche Honorierung freier Journalisten

Ich will mich darauf konzentrieren, was Ruß-Mohl auch angesprochen hat: auf die kümmerliche Honorierung freier Journalisten.

Im Selbstversuch mit der Stoppuhr hat Ruß-Mohl aufgezeichnet, dass er etwa zehn Stunden an dem Beitrag geschrieben hat, wobei er auf Textpassagen aus früheren Publikationen zurück greifen konnte. Eine weitere halbe Stunde lang hat er den Beitrag auf Wunsch der Redaktion überarbeitet. Er schreibt: „Hätte ein Journalist recherchiert und nicht ein Professor auf sein Wissen und seine eigenen Vorleistungen zugreifen können, wäre vielleicht ein ausgewogeneres Stück mit mehr Quellen entstanden, aber dies hätte vermutlich die Produktionszeit verdoppelt.“

Zum Honorar sagt Ruß-Mohl nur, dass es nicht der Rede wert sei und weit unter dem Satz liege, der bei der Printausgabe üblich ist.

Nun, ich kann das Geheimnis zumindest zum Teil lüften: Die „Süddeutsche Zeitung“ zahlt für einen Beitrag im Feuilleton etwa 1,50 Euro pro Zeile à 40 Anschläge. Ruß-Mohls Text hat 12.800 Anschläge, er hätte also 480 Euro dafür bekommen – wenn er in der „Süddeutschen Zeitung“ erschienen wäre.

Beim Online-Angebot dürfte es mindestens ein Drittel weniger sein, das wären dann 320 Euro. Bei einem Freiberufler gehen davon Steuern und Sozialversicherung ab, und natürlich die Arbeitsmittel, für die er selber zu sorgen hat, vom Computer, über das Telefon bis zum Büro. Das alles für eineinhalb bis zwei Tage Arbeit.

Nur: Die „Süddeutsche Zeitung“ zahlt vergleichsweise gut.

Auf mediafon.net, einem Informationsangebot der Gewerkschaft verdi, kann man sich die Zeilenhonorare anderer deutscher Zeitungen anschauen.

Es zahlen
• der „Mannheimer Morgen„: 46 Cent pro Zeile;
• der „Münchner Merkur„: 41 Cent;
• die „Augsburger Allgemeine„: 20 Cent;
• die „Deister-Leine-Zeitung„: 15 Cent;
• die „Westfälische Rundschau„: 15 Cent;
• die „Offenbacher Post„: 12 Cent;
• die „Norddeutsche Rundschau„: 11 Cent;
• die „Marburger Neue Zeitung„: 10 Cent.

Ich zitiere aus dem Eröffnungsvortrag, den Tom Schimmeck beim Gründungskongress des Verbands freier Journalisten, Freischreiber, im November 2008 gehalten hat:

„Ja, da lacht der Freie: Da braucht er nur jeden Monat einen Text von ungefähr der Länge der Bibel zu verfassen, um auf einen anständigen Lebensunterhalt zu kommen.“

Zum Lachen ist vielen freien Journalisten schon lange nicht mehr zumute.

Womit wir wieder bei der positiven Pressefreiheit sind, bei der Freiheit dazu, Journalismus zu produzieren. Diese Freiheit ist bedroht. Nicht vom Staat, nicht von der Polizei, wild gewordenen Staatsanwälten oder größenwahnsinnigen Innenministern.

Sondern von den Verlagen selbst.

„Journalisten machen keine PR“, lautet Punkt 5 des Medienkodex des Netzwerk Recherche. Die Wahrheit ist nur: Natürlich machen viele Journalisten PR, weil sie sonst gleich ALG II beantragen könnten.

Arroganz wohlfeiler Kodizes

Vor allem aber, und das zeigt die unglaubliche Ignoranz und Arroganz, die sich hinter solch wohlfeilen Kodizes verbirgt, die meist ausschließlich von Gehaltsempfängern gezimmert werden: alle Medien, auch die selbst ernannten Qualitätsmedien, von „FAZ“ über „Süddeutsche Zeitung“ bis hin zu den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, lassen sich ihre Zeitungen und Sendungen verdeckt von den PR-Abteilungen von Daimler und Siemens subventionieren. Wie ich darauf komme?

Bei knapp der Hälfte der freiberuflichen Journalisten reichen die Einnahmen aus journalistischer Arbeit nicht aus, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Wo kommt das Geld also her? Zu einem großen Teil aus PR-Aufträgen. Ohne sie könnten viele es sich überhaupt nicht mehr leisten, journalistisch zu arbeiten.

Die Verleger glauben an den Journalismus. Sie vergessen nicht, das bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu betonen. Denn irgendwer müsse ja auswählen für die Leser aus der alles überschwemmenden Flut der Nachrichten.

Beispielhaft Springer-Vorstand Mathias Döpfner beim Weltkongress der Zeitungsverleger vor vier Jahren: „Denn von einem bin ich überzeugt“, sagte Döpfner, „wenn jede Information für jedermann jederzeit überall verfügbar ist, dann wächst das Bedürfnis nach Orientierung, Auswahl oder dem, was den guten Zeitungsjournalisten ausmacht: Führung.“

Schlag ins Gesicht: Total Buyout

Und – wer soll sie übernehmen, diese Führung? Die Journalisten, die einen Großteil von Döpfners Produkten mit Inhalten füllen, denen Springer aber einen Total-Buyout-Vertrag vorgelegt hat, der nicht nur ein Schlag in ihr Gesicht war, sondern anschließend auch vor Gericht für teilweise rechtswidrig erklärt worden ist? Das gleiche gilt für Geschäftsbedingungen des Bauer-Verlags und des Nordost-Mediahouse, Herausgeber des „Nordkurier„.

Was die Geschäftsführung der „Zeit“, dieses heiligen Grals des Journalismus in Deutschland, nicht daran gehindert hat, vor einigen Wochen einen vergleichbaren Vertrag vorzulegen, mit dem sie ihre Autoren zwingen will, sämtliche Nutzungsrechte an ihren Werken für alle Zeiten, inklusive der Vergangenheit, abzutreten. Den meisten Juristen dürften sich die Haare sträuben.

DJV und dju haben bereits beantragt, eine einstweilige Verfügung gegen die „Zeit“ zu erlassen, mit der dem Verlag untersagt werden soll, Zitat: „von freien Journalistinnen und Journalisten die maßlose Einräumung der Rechte an ihren Texten zu verlangen“. Ich habe keinen Zweifel daran, dass diese Verfügung erlassen wird. Ich habe allerdings begründeten Zweifel an der Redlichkeit der Geschäftsführung der „Zeit“.

Gutsherrenart gegenüber Geschäftspartnern

Wenn man die Verlage darauf anspricht, ob sie nicht ein Problem darin sehen, die Menschen, die eigentlich ihre Geschäftspartner sein sollten, nach Gutsherrenart zu behandeln (manchen würde eher ein Vergleich mit sizilianischem Landadel einfallen), dann antworten sie regelmäßig: wir befinden uns in einem Markt, der regelt das dann schon über Angebot und Nachfrage.

Das ist ein interessantes Argument. Vor allem angesichts der Forderung der Presseverlage nach einem Leistungsschutzrecht. Da kann es mit einem Mal nicht mehr der Markt regeln, dass die Verlage ihre Oligopolstellung verlieren, dass sie sich einer Konkurrenz ausgesetzt sehen, die ihr Geschäftsmodell bedroht, und auf die sie bisher eher tölpelhaft als visionär reagiert haben. Da rufen sie dann nach dem Staat, der ihnen ein Leistungsschutzrecht verschaffen soll, damit ihre Investitionen geschützt bleiben.

Ein Leistungsschutzrecht übrigens, dass die Presse- und Ausdrucksfreiheit gefährden würde. Das das Zitatrecht einschränken, die Kommunikationsfreiheit im Internet behindern würde, das freiberufliche Journalisten noch einmal schlechter stellen würde in ihrer Rechtsposition gegenüber den Verlagen. Ein neues Schutzrecht, von dem der Dortmunder Medienrechtler Udo Branahl sagt, dass es „ein Bruch mit sämtlichen kontinentalen Freiheitstraditionen“ wäre.

Leistungsschutzrecht hätte Kollateralschäden zur Folge

Woher ich das alles weiß? Nun, ich weiß es nicht, denn mehr als eineinhalb Jahre, nachdem die Forderung das erste Mal aufgekommen ist, nachdem die Verlagslobbyisten es geschafft haben, der schwarz-gelben Regierung die Forderung nach einem solchen Recht in den Koalitionsvertrag zu diktieren, liegt kein Gesetzentwurf vor. Jeder unabhängige Urheberrechtler, den ich bisher gefragt habe, ob er sich vorstellen kann, dass ein solches Schutzrecht keinen Kollateralschaden anrichten würde, hat das verneint. Und es waren viele. Solange die Verlage keinen Gesetzentwurf vorgelegt haben, an dem man ihre gebetsmühlenartigen Beschwichtigungsformeln überprüfen kann, dass schon alles in Ordnung sein werde mit dem neuen Recht, muss man vom Gegenteil ausgehen.

Das Problem hätte sich längst erledigt, wenn nicht auch in vielen deutschen Journalisten wenigstens ein Quäntchen von dem steckte, was den Bäckersjungen in Damaskus antreibt: für sie ist Journalismus mehr Berufung als Beruf. Wenn es nicht so wäre, hätten sie etwas Anständiges lernen und nicht „irgendwas mit Medien“ machen wollen, was dann darin endet, dass sie ihren Namen in der Zeitung lesen, aber ihre Miete nicht bezahlen können.

Oder, wie es der WDR-Journalist und Vorsitzende der ver.di-Bundeskommission Selbstständige, Ulli Schauen, ausdrückt: „Eines der großen Dilemmata im Bewusstsein der Medien- und Kulturschaffenden ist, dass sie so furchtbar berufsstolz sind. Ihre Veröffentlichungen haben für sie einen so großen Stellenwert, dass sie sich einen Teil ihrer Arbeit nicht mit Geld, sondern mit Autorenstolz abkaufen lassen. Dadurch ist das künstlerische oder journalistische Produkt billiger zu haben. Und die Medienindustrie, die Öffentlich-Rechtlichen inbegriffen, nutzt das wie jede andere Industrie schamlos aus.“

Verweigerung von Wertschätzung

Nun, auch diese Motivation hat ihre Grenze. Mehr und mehr Journalisten entdecken, dass Berufsstolz nicht nur damit erzeugt wird, den eigenen Namen in der Zeitung zu lesen, sondern auch damit, nicht tagtäglich von seinen Kunden – den Verlagen – gedemütigt zu werden. Berufsstolz kann nur da entstehen, wo die eigene Arbeit Wertschätzung erfährt.

Sie suchen sich etwas anderes, wenn ihnen diese Wertschätzung verweigert wird.

Kürzlich war ich bei einem Treffen des Freischreiber-Verbands, bei dem es darum ging, Ideen für einen Kongress zu entwickeln, bei dem freiberuflichen Journalisten Wege in die Zukunft aufgezeigt werden sollen. Nach der Vorstellungsrunde war klar, dass von den etwa 20 Anwesenden ungefähr zwei Drittel ihr Geld nicht nur mit Journalismus verdienen. Nicht, weil sie nicht könnten, sondern weil sie nicht mehr wollen.

Denn die Verlage sollten und können davon ausgehen, dass es genau diese Kolleginnen und Kollegen sind, die Alternativen dazu haben, Journalisten zu sein. Die mit ihren Fähigkeiten in anderen Branchen reüssieren können, wo sie besser behandelt und besser bezahlt werden. Und die das nur deshalb bisher nicht getan haben, weil sie leidenschaftliche Journalisten und schlechte Geschäftsleute sind. Aber irgendwann ist auch bei ihnen das Maß voll. Was sich hier vollzieht ist das, was man einen Brain Drain nennt. Und er hat gerade erst begonnen.

Ausbeutung von „Content“

Das alles jedoch, so hat man den Eindruck, macht Verlagen keine Sorgen. Frohgemut werden Honorare bezahlt, die, auf einen Stundenlohn umgerechnet, in der ostdeutschen Sicherheitsbranche sittenwidrig wären. Es werden Verträge aufgesetzt, die den Autoren immer wieder aufs Neue demonstrieren, dass es um Ausbeutung ihres „Contents“ und ihrer Arbeitskraft geht, nicht um Zusammenarbeit.

Es bereitet ihnen keine Sorgen. Doch es sollte ihnen Sorgen bereiten. Denn wenn es einen Weg gibt für sie zu überleben, jetzt, da ihre Veröffentlichungsmonopole der Vergangenheit angehören, dann liegt er darin, Lesern etwas zu bieten, was diese woanders nicht bekommen können, oder zumindest nicht so gut. Döpfner nennt es Führung, andere nennen es schlicht Mehrwert. Und damit meine ich keine Klickstrecken aus Tittenbildern. Sondern fesselnde Reportagen, Analysen, die die Augen öffnen, Recherchen, die zutage fördern, was mancher gerne verbergen würde.

Wie sie das schaffen wollen mit Mitarbeitern, denen sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit ihre Verachtung zeigen, ist mir zumindest nicht ganz klar.

Vor allem aber sollten sich die Verlage nicht zu sehr in Sicherheit wiegen.

Der Markt wird es schon regeln

Journalismus, der seinen Namen verdient, wird sich immer seinen Weg suchen. Dass er in dem historisch begrenzten Zeitraum der letzten Jahrzehnte, in dem politisch begrenzten Raum, den demokratisch verfasste Länder darstellen, in Verlagen stattgefunden hat und zu einem großen Teil noch stattfindet, ist keine Notwendigkeit. Verlage haben einfach das beste Umfeld für Journalismus geboten.

Sobald sie das nicht mehr tun, wird Journalismus woanders stattfinden.

Was dem einen staatliche Zensur und Überwachung, also der Mangel an negativer Pressefreiheit, ist dem anderen ein lachhaftes Honorar, gekoppelt mit einem Total-Buyout-Vertrag, also ein Mangel an positiver Pressefreiheit.

Was also dem einen seine Socke, ist dem anderen sein Weblog. Oder sein Spot.us, sein ProPublica, sein Perlentaucher.

Wenn Verlage wollen, dass Journalismus bei ihnen stattfindet, dann müssen sie Journalisten wie Partner behandeln, nicht wie Bittsteller. Ob sie das wollen oder nicht, ist egal. Der Markt, da bin ich ganz zuversichtlich, wird es tatsächlich regeln.

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