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Verdi-Fachgruppe Medien will keine Internet-Überwachung

März 16th, 2011 · 1 Comment · In eigener Sache, Internet Governance, Internet-Regulierung, Lobbyismus, Urheberrecht

Die Delegierten der Bundesfachgruppenkonferenz Medien 2011 der Gewerkschaft Verdi haben mit großer Mehrheit einen Antrag verabschiedet, der sich gegen Warnschilder für potenzielle Urheberrechtsverletzer ausspricht.

Der Beitrag hätte eigentlich am vergangenen Samstag erscheinen sollen, dem Welttag gegen Internetzensur. Aber besser spät als nie, vor allem, wenn es gute Nachrichten gibt.

Nach diesen guten Nachrichten sah es lange Zeit nicht aus. Eine Arbeitsgruppe der Gewerkschaft hatte im Juli vergangenen Jahres im Verdi-Mitgliedernetz den Entwurf für ein Positionspapier mit dem Titel „Internet und Digitalisierung – Herausforderungen für die Zukunft des Urheberrechts” (PDF) veröffentlicht.

Den Entwurf selbst hatten ich und andere Verdi-Mitglieder aus verschiedenen Gründen kritisiert; bemängelt haben wir außerdem die Art, wie mit dieser Kritik umgegangen wurde. Das Positionspapier wurde vom Bundesvorstand am 25. Okotber verabschiedet, inklusive der Forderung nach Warnhinweisen, die auf mögliche Urheberrechtsverletzungen hinweisen sollen.

Die Kritik, die daraufhin auch öffentlich geäußert wurde (iRights.info, netzpolitik.org, Süddeutsche Zeitung), wurde von den Verantwortlichen als Missverständnis dargestellt; zum Teil wurden auch Vorwürfe laut, das Papier sei absichtlich missverstanden worden, um Verdi in ein schlechtes Licht zu rücken. Das war besonders pikant angesichts der Tatsache, dass der europäische Gewerkschaftsdachverband UNI-MEI eine Totalüberwachung jeglichen Netzverkehrs fordert, um Urheberrechtsverletzungen zu bekämpfen. Verdi ist Mitglied der UNI-MEI, Heinrich Bleicher-Nagelsmann, Bereichsleiter Kunst und Kultur bei Verdi, außerdem Bundesgeschäftsführer des VS – Verband deutscher Schriftsteller bei Verdi, ist Präsident der UNI-MEI.

Doch Verdi ist eine große Gewerkschaft und kein monolithischer Block. Was dazu führte, dass erstens eine Podiumsdiskussion zu den Forderungen des Positionspapiers organisiert wurde, zu der Kritiker wie Falk Lüke (nicht Verdi-Mitglied) und ich (immer noch Verdi-Mitglied) eingeladen waren. Zweitens wurde von Vorstand des dju-Landesbezirks Berlin-Brandenburg ein Antrag mit dem Titel „Presse-, Informations- und Meinungsfreiheit im Netz sichern“ (PDF) gestellt, der sich explizit gegen das Positionspapier des Bundesvorstands richtet. Nicht nur die ersten Absätze lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig:

ver.di setzt sich offensiv für die Presse-, Informations- und Meinungsfreiheit im Internet ein und gegen Hinweis- und Stoppschilder auf Internetseiten, Vorratsdatenspeicherung und Netzsperren. Inhalte, die über das Netz transportiert werden, werden nicht gefiltert oder diskriminiert.

Gleichzeitig setzt sich ver.di dafür ein, dass moderne Anwendungen und Technologien wie „Deep Packet Inspection“ zum Filtern oder Überwachen von Inhalten im Internet bei den Netzbetreibern unzulässig bleiben. Richterliche Vorbehalte gegen die Herausgabe von Nut-zerdaten und die Sperrung von verbotenen Inhalten müssen erhalten bleiben.

Alle ver.di-Positionen zum Internet werden darauf hin überprüft und gegebenenfalls revidiert. Gegen gegenteilige Positionen von internationalen Gewerkschaftsorganisationen (UNI-MEI, UNI-Europe) wird ver.di sich öffentlich positionieren.

Dieser Antrag wurde am Samstag, dem 26. Februar, von den Delegierten der Fachgruppenkonferenz mit großer Mehrheit angenommen. Das ist auf der Verdi-Seite bisher nicht zu sehen, wird aber von den Verantwortlichen bei Verdi bestätigt.

Beschlossen wurde auch, dass der Antrag an die Bundesfachbereichskonferenz des Fachbereichs 8 (Medien, Kunst und Industrie) am 16./17. April und den Verdi-Bundeskongress im September weitergeleitet wird. Der stellvertretende Verdi-Chef und Leiter des Fachbereichs 8, Frank Werneke, hatte sich nicht nur in seinem offenen Brief hinter das Positionspapier gestellt, sondern diese Haltung auch noch einmal in seinem Vortrag auf der Bundesfachgruppenkonferenz bekräftigt. Ob er und der Bundesvorstand das Votum zum Anlass nehmen werden, das Positionspapier zu überarbeiten, ist ebenso unklar, wie die Antwort auf die Frage, wie sich Verdi innerhalb der UNI-MEI verhalten wird. Es bleibt also spannend.

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