„Deviantes“ Verhalten ist eines, das von einer Norm abweicht. Wer diese Norm setzt, wie Devianz zugeschrieben wird, ist ein interessanter Vorgang, der von vielen Faktoren, Machtverhältnissen, Akteuren abhängt. Die Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen hat eine Expertise zu „Internet-Devianz“ erstellen lassen, die sich unter anderem mit der Frage beschäftigt, wie „Raubkopierer“ erschaffen wurden – ein Begriff, der in keinem Gesetz auftaucht -, und welche Folgen das hat:
Zusammengefasst heißt dies, dass die öffentlichkeitswirksame Kampagne das Ziel der „Kriminalisierung“ von so genannten „Raubkopierern“ verfolgt und wohl auch erreicht hat. Eine differenzierte Debatte über Fragen des Urheberrechts, der Verwerterinteressen und über den freien Zugang hat ihren Weg in die Öffentlichkeit nicht im gleichen Maße gefunden. Kritiker der Gesetzesnovelle bemängeln, dass die Rechte des Verbrauchers und nichtprofitorientierter Einrichtungen zugunsten von wirtschaftlichen Interessen eingeschränkt wurden. Verstöße gegen Verbote und Gebote werden ab Januar 2008 als gesetzeswidrig und auch als deviant sanktioniert. Übrig bleibt die Grauzone derer, deren Rechte nicht abgeschafft, aber auch nicht explizit im Gesetz verankert wurden. Ein deviantes Verhalten ist hier – auch ungewollt – schnell möglich.
In der Expertise wurde nicht nur das Phänomen „Raubkopierer“ untersucht, sondern auch das – ebenfalls sehr aktuelle – Thema „abnormes Computerspielen“.
Interessant in diesem Zusammenhang auch der Aufsatz des österreichischen Richters Franz Schmidbauer, der auf der von ihm betriebenen Website Internet4Jurists vor einiger Zeit einen sehr lesenswerten Aufsatz zu den Auswüchsen der Urheberrechtspolitik veröffentlicht hat (via). Darin schreibt er:
“Auch der Begriff “Raubkopie” ist eine Erfindung der Musikindustrie mit dem Ziel, ein allfälliges Vergehen der untersten strafrechtlichen Deliktsebene (wenn überhaupt) auf die Ebene eines Kapitalverbrechens (Raub) zu hieven. Ich weigere mich daher, im Zusammenhang mit unerlaubten Vervielfältigungen von “Raubkopien” zu sprechen und fordere auch alle seriösen Juristen auf, sich nicht von der psychologischen Kriegsführung der Musikindustrie vereinnahmen zu lassen. Diese Methode, den Stellenwert eines Deliktes unter Umgehung des Gesetzgebers zu ändern, ist in einer demokratischen Gesellschaft nicht tolerierbar. Das ständige massive Lobbying eines Industriezweiges beim EU-Gesetzgeber ist ohnedies schon schlimm genug.”
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