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Warum ich die Online-Petition gegen die Vereinbarung zur „angemessenen Vergütung“ unterschrieben habe

Januar 11th, 2010 · 3 Comments · AGB, angemessene Vergütung, Arbeit2.0, Journalismus, Leistungsschutzrecht, Lobbyismus, Urheberrecht

Die Journalistenverbände dju und DJV haben mit dem Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger eine Vereinbarung zur so genannten angemessenen Vergütung getroffen (hier im Volltext: PDF, 44 kb).

Ich bin seit 15 Jahren Mitglied in der dju und auch manchmal (selten) dort aktiv gewesen. Ich finde die Aufklärungsangebote mediafon.net und connexx.av, den Ratgeber Freie und die Klagen gehen Total-Buyout-Geschäftsbedingungen ausgezeichnet. Das schreibe ich, um nicht den Eindruck zu erwecken, ich betreibe Gewerkschafts-Bashing.

Aber an der Politik zu Urheberrecht und Journalistenvergütung, die von den Beauftragten der dju betrieben wird, übe ich schon lange Kritik. Und sie wird nicht geringer werden durch die getroffene Vereinbarung. Ich kann mich nur der Stellungnahme des Verbands Freischreiber anschließen (dort bin ich ebenfalls Mitglied):

Freischreiber e.V. hält die Vereinbarungen jedoch für unzureichend. „Es wäre für freie Journalisten fatal, solche Vergütungsregeln zu akzeptieren“, so Lars Reppesgaard, Vorstandsmitglied von Freischreiber. „Die nun ausgehandelten Vereinbarungen stellen keine angemessene Vergütung dar.“

Denn die vereinbarten Regelungen zementieren Bedingungen, unter denen professioneller, unabhängiger, sauber recherchierter Journalismus durch freie Journalisten nicht möglich ist.
Zur lesenswerten Stellungnahme mit den Forderungen der Freischreiber.

Auch der iRights.info-Kollege Ilja Braun hat sich im Perlentaucher kritisch zum Verhandlungsergebnis geäußert: Zementierung der Misere.

Es muss klar werden, dass diese Vergütungen nicht angemessen sind, sondern völlig unangemessen. Diese Honorare erlauben es nicht, vom Journalismus zu leben. Die Gewerkschaften argumentrieren, dass mehr nicht drin gewesen sei. Ehrlich gesagt: dieses Argument ist eine Katastrophe. Was anderes sollte eine „angemessen Vergütung“ erlauben, als dass auch Zeitungsjournalisten von ihrer Arbeit leben können? Genau das ermöglichen die Vereinbarten Honorare nicht. Die (sehr kreativen!) Freischreiber haben einen Tarifrechner entworfen, mit dem man sich einen schnellen Überlick dazu verschaffen kann, wie viele Nachrichten oder Berichte er bei einer Tageszeitung mit einer Auflage von 180.000 Exemplaren bei 88 Cent/Zeile netto, inkl. Online-Verwertung veröffentlichen muss (bezahlt nach den Vergütungsregeln), um so viel zu verdienen wie ein ALG II-Empfänger (807 Zeilen oder viereinhalb seitenfüllende Artikel) oder ein Arzt (7272 Zeilen oder 40 seitenfüllende Artitel).

Wären die vereinbarten Honorare Mindesthonorare, wäre das alles noch etwas anders zu beurteilen. Das sind sie aber nicht. Und so tun sie nichts anderes, als festzuschreiben, dass es angemessen ist, dass Journalisten, die als Freiberufler für Tageszeitungen arbeiten, nicht angemessen bezahlt werden müssen. Diese Vereinbarung ist eine Farce und ein Schlag ins Gesicht der Freiberufler.

Daher habe ich die Petition unterschrieben, die freie Journalisten angelegt haben, um die Verbände aufzufordern, die Diskussion um die Vergütungsregeln auszuweiten. Und ich würde mich freuen, wenn es viele meiner LeserInnen ebenfalls tun. Außerdem werde ich als Mitglied einen Brief an die dju schreiben, mit der selben Bitte, die die Petition formuliert:

Darum fordern wir, die wir hier unterzeichnen, die Verhandlungspartner DJV und dju/verdi dazu auf, die „Gemeinsamen Vergütungsregelungen Tageszeitungen“ nun nicht im Eilverfahren zu verabschieden, sondern die Abstimmung aufzuschieben und eine breite öffentliche Diskussion der Regelungen unter freien Journalistinnen und Journalisten zu ermöglichen und zu gestalten, z.B. über Veranstaltungen, Blogs, etc. Außerdem fordern wir, Anregungen und Vorschläge von freien Journalistinnen und Journalisten bei der internen Diskussion zu berücksichtigen.

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3 Comments so far ↓

  • Galia

    Ich halte das für Energievergeudung. Die Funktionäre dieser Gewerkschaften leben prächtig von den Beiträgen der Freien und verstehen sich dennoch seit jeher doch nur als Lobby der Arbeitsplatzbesitzer unter den Journalisten. Warum sollten diese Gewerkschaften anständige Entlohnung für Freie wollen, wenn das bei den heutigen knappen Budgets mehr denn je bedeuten würde, dass damit das Risiko erhöht würde, dass an festen Stellen oder der Gehaltshöhe der Festangestellten gespart würde?

    Meiner Meinung nach sollten die Freien diese Gewerkschaften geschlossen verlassen und sich so organisieren, dass ihre eigenen Interessen zur Abwechslung auch mal vertreten werden.

  • Ilja Braun

    Hi Matthias,
    ist Dir übrigens aufgefallen, dass mit der Vereinbarung auch §38 UrhG ausgehebelt werden soll? Früher ging man ja davon aus, dass, wenn nichts anderes vereinbart ist, immer nur ein einfaches Nutzungsrecht eingeräumt ist. Jetzt wollen sie festschreiben, dass der Journalist darauf extra hinweisen muss, andernfalls gilt ein Erstdruckrecht als vereinbart. Statt sich drum zu bemühen, dass §38 zwingendes Recht wird, was viel sinnvoller gewesen wäre.
    Davon abgesehen: Die Onlinepetition halte ich auch eher für Wohlfühlaktivismus, oder glaubst Du ernsthaft, dass die Gewerkschaften sich darum kümmern?
    Beste Grüße
    Ilja

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