immateriblog.de

Matthias Spielkamp über Immaterialgüter in der digitalen Welt

immateriblog.de header image 2

Wir können nicht so viel Geld verdienen, wie wir gern würden, also sagen wir, das Urheberrecht muss geändert werden

Juli 23rd, 2009 · 3 Comments · digitales Publizieren, Internet Governance, Internet-Regulierung, Journalismus, Lobbyismus, Publizieren, Urheberrecht, Verlage

Unterhalten sich zwei Juristen. Bei solch einem ersten Satz werden wohl die meisten einen Witz erwarten. Aber im Gegenteil: wenn Doug Lichtman und Ken Richieri sich unterhalten, ist das zwar nicht witzig, aber höchst aufschlussreich. Lichtman ist Professor an der University of California, Los Angeles, Richieri Syndikus der New York Times Company. Im Januar standen sie noch gegeneinander vor Gericht, nun haben sie sich in einem einstündigen Podcast darüber unterhalten, wie das denn nun mit dem Urheberrecht und dem Internet funktioniert. Zachary M. Seward vom Nieman Journalism Lab der Harvard University hat das Gespräch ausgewertet und ein Transkript des interessantesten Ausschnitts erstellt.

Was Lichtman und Richieri sagen, ist nicht eins zu eins auf die Debatte in Deutschland zu übertragen, da die rechtlichen Regelungen sich nun einmal stark unterscheiden zwischen verschiedenen Rechtssystemen. Dennoch gibt es Etliches, was auch für deutsche Leser (ob Verleger, Juristen oder Journalisten) interessant ist. Wie zum Beispiel das hier:

Richieri: Lassen Sie uns doch einfach mit dem Thema Verlinkungen anfangen. Es fällt mir schwer, das als Urheberrechtsverstoß zu sehen. Links sind das, was das Web zum Web macht. Ohne Links wäre das Web nicht das Web. Mit Links kommt man von einem Ort zum anderen. Wenn Produzenten von Inhalten sich beschweren – oft, wenn Sie mich fragen -, wenn sie sich über die Auswirkungen von Links auf das Urheberrecht beschweren, dann sagen sie eigentlich: „Ich kann nicht so viel mit dem Traffic verdienen, wie ich gern würde.“ Das ist eigentlich die Beschwerde, die dem zugrunde liegt. Wenn es wirklich ums Urheberrecht ginge, würden sie dagen sagen: „Weil es einen Link gibt, kommen die Leute nicht auf meine Seite. Sie lesen bloß den Link und das reicht ihnen.“ Aber das sagen sie nicht. Deshalb glaube ich nicht, dass man das einfach gleichsetzen kann. (Meine Übersetzung; alle, die Englisch können, sollten unbedingt auch den Rest lesen.)

Ist schon lange her, dass man so etwas Schlaues von einem Verlagsvertreter gehört hat (selbst in den USA, noch nie in Deutschland). Stattdessen machen sie sich zum Büttel ihrer (vermeintlich) durchgedrehten Verleger, die es ja auch (fast) alle besser wissen, aber nach dem Prinzip verfahren: wenn man den Mist nur lange genug wiederholt, wird er schon irgendwann geglaubt. Statt sich zu überlegen, wie man es besser machen kann.

Für mich ein weitere Beleg dafür, dass die New York Times zu einem der wenigen Orte gehört, in dem wichtigen Fragen offen diskutiert werden. Und dafür, wie billig zum Beispiel der Verriss bei Jon Stewart war (schreibe offline, habe den Link gerade nicht parat), der im Netz gehypt wird wie nichts Gutes, und den ich für komplett überbewertet halte. Wenn die Hälfte der Menschen, die im Journalismus arbeiten, nur die Hälfte der Ahnung der Leute bei der New York Times hätten, würden die Debatten nicht so hirntot verlaufen, wie sie es tun. Schade, dass sie dort so viele andere Fehlentscheidungen getroffen haben, die ihr Unternehmen viel stärker gefährden, als es das Internet tut.

Tags:

3 Comments so far ↓

  • links for 2009-07-24 : Bibliothekarisch.de

    […] Immateriblog.de – Matthias Spielkamp über Immaterialgüter in der digitalen Welt "Wenn die Hälfte der Menschen, die im Journalismus arbeiten, nur die Hälfte der Ahnung der Leute bei der New York Times hätten, würden die Debatten nicht so hirntot verlaufen, wie sie es tun. Schade, dass sie dort so viele andere Fehlentscheidungen getroffen haben, die ihr Unternehmen viel stärker gefährden, als es das Internet tut." (tags: Urheberrecht 2009 debatte Internet Leistungsschutzrecht verleger lobbyarbeit beweggründe 07/2009 immateriblog.de NYT New_York_Times) […]

  • Is Google News Piracy? Publishers, Zoo Directors and Copyright «

    […] Richieri, in which the latter expresses its doubts that aggregation is a copyright issue after all (via): “I mean, I think the big issue online and the pressure publishers are feeling is that […]

  • cen

    schöner link, die ganze seite sehr interessant. hab mir gleich ein paar folgen runtergeladen, danke.