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Matthias Spielkamp über Immaterialgüter in der digitalen Welt

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Die „Welt“, das Internet, und der Respekt vor dem „geistigen Eigentum“

April 29th, 2009 · 3 Comments · digitales Publizieren, GoogleBooks, Internet Governance, Internet-Regulierung, Journalismus, Lobbyismus, Open Access, Publizieren, Uncategorized, Urheberrecht, Verlage

In der Welt ist ein Artikel mit dem Titel Deutsche Schriftsteller wehren sich gegen Google erschienen. Schön ist, dass Autor Hendrik Werner den Unterschied zwischen Google Books und Open Access verstanden hat; da hat er den KollegInnen bei der FAZ einiges voraus. Aber auf den einen oder anderen Widerspruch möchte ich doch hinweisen. Werner schreibt:

Erst nach massiven Protesten gegen den „Scan Gang“, den zu vergüten ihm zuvor nicht eingefallen war, sah sich der beratungsresistente Dickhäuter überhaupt dazu genötigt, den Urhebern Konzessionen zu machen

Ja, das ist richtig, Google wollte nichts bezahlen. Aber nicht, weil ihnen nicht eingefallen wäre zu bezahlen, sondern weil sie der Ansicht waren, dass es sich bei dem, was sie tun, um fair use handelt. Unterstützung in dieser Ansicht hat Google dabei z.B. von Larry Lessig bekommen, einem der prominentesten US-Copyright-Experten. Dagegen haben die Verleger und Autoren geklagt, wozu sie jedes Recht haben. Haben sie gewonnen? In gewisser Weise. Hat Google Unrecht getan? Das wissen wir nicht, denn es ist zu keiner Verhandlung gekommen, sondern die Parteien haben sich verglichen. Wer Google Urheberrechtsverletzungen unterstellt, ohne das zu qualifizieren, hat den Fall nicht begriffen.

Interessant in diesem Zusammenhang ist ja, dass die Axel Springer AG, die die Welt herausgibt, seit einiger Zeit wegen der Geschäftsbedingungen, die sie den ach so geschätzten Urhebern, ihren freien Autoren nämlich, aufzwingt, vor Gericht steht. Und: im Gegensatz zum Google-Verfahren hat das Landgericht Berlin entschieden, dass Springer gegen das Gesetz verstoßen hat.

Weiter schreibt Werner:

Dem durch wolkige Phrasen kaum effektiv und schon gar nicht juristisch zu befehdende Raubrittertum im Internet geht es auch um andere mediale Hervorbringungen als Bücher. So werden die Online-Angebote von etlichen Tageszeitungen und periodischen Publikumszeitschriften gleichfalls in einem Maß kopiert und vermarktet, das dem Glauben an die Würde der Urheberschaft Hohn spricht. Der synoptische Nachrichtendienst „Google News“ etwa verweist zwar via Link auf den jeweiligen Schöpfer einer Nachricht.

Nein, Google News verweist nicht auf den „Schöpfer einer Nachricht“. Sondern auf den Artikel im Online-Angebot von Bild.de, Welt Online, Hamburger Abendblatt und was weiß ich noch wie vielen Springer-Postillen. Und was macht Springer? Die Inhalte aus dem Netz nehmen, damit Google nicht weiter auf sie verweisen kann? Oder Google bitten, Welt, Bild und alle anderen Springer-Online-Angebote aus dem News-Angebot zu streichen (was Google augenblicklich tun würde)? Schön bescheuert wären sie. Im Gegenteil: Welt Online unterhält eins der größten und cleversten Suchmaschinen-Optimierungsteams der Branche, das keine andere Aufgabe hat, als Artikel für Suchmachinen besser auffindbar zu machen. Mit Mitteln, die in der Branche nicht immer auf Gegenliebe stoßen.

Nun fordert Springer schon länger ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage, ohne aber verstanden zu haben, was sie da fordern. Und unser um die Urheber besorgter Welt-Autor Werner schreibt:

In den Augen weniger medienkompetenter Nutzer indes dürften die spezifischen Quellenangaben zu einem einzigen, übermächtigen Nachrichtengenerator namens Google verschmelzen. Darunter leiden vor allem Verlagshäuser, die von ihnen erarbeitete journalistische Inhalte dem Internet zur kostenlosen Nutzung einspeisen. Eine gesetzliche Copyright-Regelung, die den Produzenten von Online-Angeboten Gerechtigkeit widerfahren ließe, steht auch in diesem tagesaktuellen Segment aus.

Zum ersten Satz hat „Sandra“ bereits einen schönen Kommentar geschrieben:

Google News verweist keineswegs nur „via Link auf den Urheber“, es verweist auf den Artikel selbt. Und selbst der dümmste Internetnutzer begreift das Prinzip.

Naja, vielleicht ja nur die Kollegen der Printausgabe nicht. Zum zweiten Teil: wie leiden denn die Verlagshäuser, wenn sie kostenlos Inhalte veröffentlichen? Dadurch, dass sie keine Verkaufserlöse erzielen? Dann würde ich raten, nicht kostenlos zu veröffentlichen. Denn Artikel kostenlos zu veröffentlichen und dann Geld mit dem Verkauf der Artikel zu verdienen ist – nun ja, wie soll ich mich ausdrücken? – unlogisch.

Bliebe also die Werbung, auf die Springer massiv setzt, sonst würde der Verlag nicht so viel Geld in Suchmaschinenoptimierung investieren (s. oben). Und wie soll da eine „gesetzliche Copyright-Regelung, die den Produzenten von Online-Angeboten Gerechtigkeit widerfahren ließe“, helfen? Ich weiß es nicht. (Robin Meyer-Lucht weiß es auch nicht.) Ich weiß nur eins: wenn mit den Produzenten die Autoren gemeint sein sollen, dann kann es ihnen nicht helfen: denn denen werden per Geschäftsbedingung die Online-Rechte abgezwungen. Wer nicht unterschreibt, bekommt keine Aufträge.

So sieht der Respekt vor dem geistigen Eigentum bei Springer aus. Ganz ehrlich: mir wird schlecht bei so viel Heuchelei.

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