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Matthias Spielkamp über Immaterialgüter in der digitalen Welt

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Peter Glaser zum „Heidelberger Appell“: Feudalistisch

April 20th, 2009 · 2 Comments · digitales Publizieren, Open Access, Publizieren, Urheberrecht, Verlage

Per Twitter hatte ich einen Hinweis bekommen, dass Peter Glasers Unterschrift unter dem „Heidelberger Appell“ verschwunden war. Ich hatte mich ohnehin sehr darüber gewundert, seinen Namen dort zu sehen. Per Mail habe ich ihn um Auskunft gefragt. Hier seine Antwort (die ich mit seiner Zustimmung – über die ich mich sehr freue – veröffentliche):

Hallo Herr Spielkamp,

bin unter Terminbeschuss; ich werde aber versuchen, Sie heute (Montag) telefonisch zu erreichen, oder Sie schicken mir, wennn Sie spezielle Fragen haben, noch eine Mail.

Sie haben möglicherweise schon wahrgenommen, dass ich den Heidelberger Appell unterschrieben hatte und meine Unterschrift wieder zurückgezogen habe.

Als Kürzestfassung dazu mein Schreiben an Roland Reuß:

Hallo Herr Reuß,

ich muß Sie bitten, meinen Namen von der Unterschriftenliste zu dem Heidelberger Appell zu streichen.

Unterschrieben hatte ich, da ich, wie viele, mit zunehmender Skepsis die tektonischen Verschiebungen im Umgang mit Texten und Publikationen sehe, die Google aggressiv vorantreibt. Für Google ist die Welttextmasse einzig als Werbeumfeld interessant, dieser Wertverschiebung müssen wir entgegentreten.

Ich war an einem vernehmlichen Diskussionsanlass interessiert.

Ihre Auffassungen zu Open Access, die ich in keinem Punkt teile, habe ich als einen mißglückten Appendix angesehen; zumal die Google-Problematik und Open Access kaum etwas miteinander zu tun haben. Ich hatte die naive Hoffnung, dass die Debatte vom ersten Teil des Aufrufs getragen würde.

Spätestens nachdem ich die Einlassungen von Uwe Jochum gelesen habe steht für mich fest, dass es sich um keinen läßlichen Anhang handelt. Diese zum Teil haarsträubenden, “Im Namen der Freiheit” vorgetragenen Vorstellungen kontaminieren den Heidelberger Appell insgesamt.

Der Hochmut, den Jochum als Freiheit der Wissenschaft zu verkaufen versucht, ist feudalistisch. Ich werde mich dazu noch ausführlicher äußern.

Ich stelle Ihnen frei, diese Mail zu veröffentlichen.

Zu danken ist Ihnen für den Versuch, eine wichtige Diskussion in Gang gesetzt zu haben.

Peter Glaser

Sehr klar, eindeutig, interessant – und evtl. ein Ansporn für andere, ihre Unterstützung des Appells zurückzuziehen. Wie man an Glaser sieht: wenn man souverän genug ist, geht das.

Nachtrag: Glaser hat in seiner Mail geschrieben, dass er sich demnächst noch einmal ausführlicher zum Thema äußern wird. Da bin ich gespannt.

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2 Comments so far ↓

  • Digitale Notizen » Blog Archive » Drückerkolone und Bibliothek

    […] Matthias Spielkamp dokumentiert Peter Glasers Rückzug aus der Unterzeichnerliste des Heidelberger Appells. Außerdem hat er (Spielkamp) gemeinsam mit Florian Cramer eine Einordnung zu den Hintergründen und Missverständnissen hinter dem Appell veröffentlicht: Entgegen den Darstellungen von Reuß und Jochum wurde die Bewegung hin zu Open Access nicht von anonymen Wissenschaftsorganisationen ins Leben gerufen, um ihnen vorzuschreiben, wie und wo sie zu publizieren haben. Im Gegenteil: die Wissenschaftler selber haben zu Beginn bei ihren Organisationen für Open Access werben müssen, darunter Spitzenvertreter ihres Fachs wie der Mathematiker Donald Knuth, der Medizin-Nobelpreisträger Harold Varmus und der Linguist Stevan Harnad. Nur ihrer Hartnäckigkeit ist es zu verdanken, dass der Zugang zu – vor allem: naturwissenschaftlichen – Informationen immer weniger von Verlagskonzernen wie ReedElsevier oder Springer Wissenschaft abhängig ist. […]

  • Medien(r)evolution oder Heidelberger Appell - eine Kampagne gegen Open Access? : Text | Design | Code

    […] Mail an Matthias Spielkamp erläutert er diesen Schritt kurz. Spielkamp hat diese Mail unter Peter Glaser zum “Heidelberger Appell”: Feudalistisch […]